Photo: Fatjon HOXHA
Albanien
Albanien ist größer als sein Land und Raum
Weil sein Himmel senkrecht ausgepannt ist.
Ein ergrauter auf einem Schiff geträumter Traum –
Eine Yacht die Bodenloses küßt.
Es zuckt und flattert zweigeteilt
Sein Flügel blutige Wunden heilt.
Ein Planet ist es nicht sondern ein Stern –
Eine Träne aus dem Auge des Herrn
1991
Orpheus
Dein Leben – so gut eingesperrt
Angepaßt furchtlos eingewickelt
Mit den runden Schalen einer Zwiebel
Ich opfere, ja opfere, mein Innerstes
Mit den allerletzten Geheimnissen –
Als die Schneide des Messers beharrlich
Blinkte und dabei
Dein zartes Herz zerstückte –
Eingeschüchtert von fiktivem Gelehrsamkeit.
Eurydikes Tränen in der Küche
Haben keine andre Ursache
Außer dem Umstand
Daß du die einzige zu Tränen rührende Zutat
Im banalen Alltagssalat bist.
Vorhut der Engel
* * *
Drüben hört man das Flügelrauschen
einer Musik die dein Fleisch vor Sehnsucht erschauern läßt ... die Nacht
hingegen spannt ihr feuchtes weißes Tuch zum Trocknen
über das Siechtum der Samen am Ufer aus.
Das ist eine Erfindung, vom Zufall extra für mich erdacht.
Kommt aus einer anderen Zeit, reizt meine Vorstellung
mit der unsterblichen Radioaktivität des Seins
und mit ungestillter Gier nach Reinkarnationen –
auch danach, in Mühsal zermalmt zu werden
wie diese ruhelose Handvoll Klänge die den Äther durchzittern.
Ihr Geister der Versuchung – ihr, die Vorhut der Engel,
welche Vorahnung lockte euch in meine Sackgasse?
Dezember 1998
* * *
Diese klebrigen Dämmerbilder die mir im Auge hängen
sind die Schatten einer Zeit die ich nicht ausfüllte: wachsam
warten sie auf mich, spüren meine Materie auf und ätzen sie
mit Zusendungen eines wohlig unbestimmten Kummers.
Es ist vorgekommen daß ich den Kopf wendete
und mich durch den Horizont hindurch ausdehnte
wie ein gespannter Draht erwartungsvoll zitternd: meine Poren durchbohrt
von Klängen einer anderen Zeit; der Atem eines anderen Munds
verdichtet sich in meinem Mund,
füllt mein Zwerchfell mit dem feuchten Keuchen frischer Erde:
mein Fühlen leidet an einem alten Riß. Unschlüssig taumele ich
wanke mit dem Körper vorwärts und mit dem Verstand rückwärts – dort
stöhnt jemand, kaltes Dunkel läßt seine Glieder erstarren. Wer bist du,
in Erinnerungslosigkeit verborgene Stimme? Von welchem Tempel,
welcher Burg, von welchen Meeren kommt der Flugsand geflogen
und steckst du flugs wie ein Speer in meinen blutleeren Eingeweiden?
Und dann, über der schlafnassen Landschaft quietschen und knarren
Angeln einer rostigen Pforte; die Sicht wird frei wo immer, immer
eine Brautkutsche durch Gärten saust
und Blutlachen auf dem Gras zurückläßt
bis der Nebel aufsteigt und sich im Gesträuch versteckt.
Dezember 1998
* * *
Wie ein Schloß in die endlose Nacht sinken
und dabei den Schein der Kerzen hinter schwarzem Glas spüren –
wie ein Schloß zusammenkrachen
und die Sonnen einer vergangenen Zeit rücklings stürzen hören
und dein Traum mittendrin –
wie einer Sonnenblume
wird sein Kopf abgerissen auf ihren strapaziösen Flugbahnen
von West nach Ost
von Ost nach West;
alte Wunden auffrischen
deine Brust zertrümmernd wie Rammböcke
die Türen stumpf vor Nässe und Schimmel –
danach
aufstehen wie Kostandin
wieder Rauch und Staub
abschütteln
Steine und Spinnen
versteinerte Vögel und in Blut gelöschten Kalk –
also
aus Ruinen auferstehen
aus dem Gemetzel der zersplitterten Zeit
und wieder von Grund auf anfangen – bis zu den Zinnen
mit der gleichen zerstörerischen Vollendung von Schmerzen im Leib
mit der gleichen Sonnenfieber
mit dem gleichen alten Feuer das die Adern durchströmt
und, das Wichtigste, zu guter Letzt
mit dem gleichen quälend beschmutzten Lied
in der Blutsuppe deines Mundes.
Moskau 1998
* * *
Du erhobst dich eines astral-reinen Morgens
wie durch ein Leintuch geseiht
als das eiskalte Wasser der Erinnerung deine Knochen aufblähte
sie vom Schmutz reinigte den die Zeiten im Hirn angeschwemmt hatten.
Traurig diese tausendjährigen Wesenheiten, vergraben in deinem Mark:
Unselig vegetierten sie dahin und schleppten deine Existenz
durch Sackgassen. Du öffnest die Lider und nimmst wahr
wie unter den unsichtbaren Haspeln des Windes
ein Zweig gelber Quitten Kadaverschnauzen ans Fenster quetscht
und den bösen Zauber weghaucht ... Du spürst:
Zerbrechliche Freunde rufen dich, aufzustehen, auf Zehenspitzen, unhörbar;
den Blick in die Ferne zu richten ohne die Seemembran
des blauen Himmels zu verletzen, doch zu beben
im schlafgesättigten Körper.
In deiner morgendlichen Gestalt
knospen geheimnisumflorte Triebe und zartes Geraschel, eine Anwandlung
von Schwärmerei verschlägt dir den Atem, schickt ihn fort mit der Spirale
die sich zur verewigenden Netzhaut des Großen Auges windet.
Inmitten des Gartens,
in Gräsern und Blättern, weht der Wind der dem Herrn vorangeht.
Moskau 1998
* * *
”After the leaves have fallen, we return
To a plain sense of things”
Wallace Stevens
Verharschter Märzschnee schrumpft
und schwindet im Morgengrauen. Jetzt
zeigt die wurmstichige Nacht der Erinnerungen
ihr finsteres Hirn –
unverhüllt blättert sie ihr Angesicht hin
wie am ersten Schöpfungstag.
Du ängstigst dich das Offene Feld zu betreten
auf dem die wellige Aorta aus Plasma die Brust der Erde durchzieht.
Eine Ahnung flüstert dir zu entzieh dich der Alchemie des Unterirdischen:
neue Alphabete
andere Zivilisationen
neue Verschwörungen
brauen sich dort zusammen –
und todmüde Bäume
raunen, mit dem Finger vor den Lippen,
zwischen zusammengepreßten Zähnen das Geheimnis:
"Morgen stehst du auf, verraten und verkauft,
ein Fremder inmitten einer Population die
eine andere Zukunft ersehnt, eine andere Hoffnung.
Und Schwung verbreiten dann unaufhaltsam
Kräuter, Regen, Flügel –
Polypen der Luft – Vögel
landen dann in Schwarm und Scharen im Feld.
Wehe!
Ihre Wirklichkeiten werden dich entmachten.
In trügerischem Argwohn wirst du überall umherirren
als Person mit traumverschlossenen Grenzen:
ein Gespenst,
ein Gespensterschatten der unbehauste Straßen entlanggleitet –
ein verweigerter Bezugspunkt. Zeichen.
Zeichen des Zeichens ohne Bezeichnendes
oder einfach gesagt
ein äußeres Organ,
dazu verurteilt, erlebnislos
einen anderen Zeitfluß in anderen Existenzen zu betrachten."
* * *
Drüben, im Dorf über morschen Häusern abgeblätterten Stolzes
der gleiche Wahnwitz. Bauern treiben Maulesel an
sie singen vor sich hin, die Augen verlieren sich in aschgrauer Schwebe
auf die Weide getrieben träumen sie Wärme die sie einst träumten
lediglich eine wirre Begierde erhebt sich aus der Tiefe
und schlägt mit den Flügeln wie ein blinder Vogel an kalten Höhlenwänden.
Überall ein Verborgenes zu spüren: ein Tropfen aus Blut
und Lymphe sinkt heimlich ins Innerste. Dort, tief unten,
geht seit Tausenden von Jahren der Große Geist einer Neuen Wesentlichkeit der Vollendung entgegen.
Novembereinbruch. Über morschen Häusern abgeblätterten Stolzes
der gleiche Wahnwitz: Materie schrumpft, Kanten kräuseln sich, den Hügel gegenüber schlägt der Rauchfetzen des Himmels wie den Buckel des alten Barden
mit schaurigen Regenhexametern.
Dezember 1998
* * *
Schwarzer Mohn des Todes ... Totenklage schmiegt sich wehmütig an die Schwelle in prasselndem Novemberregen. Das Heim dieses Herdes
ist wie mit Fingernägeln in den myrtenreichen Abhang gebohrt.
Es atmet Verdruß, verliert sich ab und zu in den dunstigen Wellen
seiner Verwirrtheit die aus der Tiefe aufsteigen und im Gebüsch verebben.
Am Rand naht jetzt Verlassenheit und der Geist der Essenz beginnt zu altern.
Die Fundamente dieser Heimstatt wimmeln vor finsteren Ahnungen während
die kalte Stirn der Berge gegenüber weiße Leichentücher steriler Schneefelder schrecklich umkrempelt
um schließlich diesen braunen Pilz mit dem Schirm des Leidens auf dem Rücken
hinunterzuschlucken.
Moskau 1998
* * *
Dickwandig
mit Weisheitszähnen die in Katakomben anschwollen
und einer in trockenem Sand begrabenen Stimme ...
Mit knorrigen verknorzten Rümpfen
und einem Bewußtsein
das in stickigem Morastmoor steckt –
ist dieses Fleisch auf immer und ewig entmuskelt:
faul bewegt es sich
faul träumt es,
hingeneigt zur letzten Entmutigung –
jener uralten Hoffnung – die es vermag
das unverbesserliche Gedächtnis der Verben
”Ich war” und ”Ich bin”
zu hypnotisieren.
1998
Nachtstück
Die dunkelblauen Flanken der Hügel leuchten
Im Licht elegischer Strahlen, gefiltert in Gold
Feuerreiter perlenbestückt entflechten
Mähnen, zerzausen grüne Pferdemähnen
In welche Schlacht werden stattlich sie sich stürzen
Welch Blutvergießen ist meinen Rittern hold?
Um sie vergieß ich rubinrote Tränen
Verlassne dunkelblaue Pferde scheuen
Elegie
Da kommt ein Mensch: traurige Gestalt, wo hast du
Den Trab der Träume und die Schwertscharten gelassen?
Da kommt ein Schatten, überschwemmt von der Bürde des Schicksals
Mit Dimensionen von Horizonten. Eins ums andere
Nahen benachbartes Bedauern mit Gerüchen von Regen
Und im Film verbranntem Licht.
Blutfleckige Blätter opfern sich auf Schultern
Wie bronzene Epauletten.
Du wie kaum jemand der Hoffnung Zugeneigter! Es verödet
Unser ehrwürdig alter Planet
Mit wuchtigen Wellen von Blut und Moral,
Und die gesprenkelte alte Schlange
Liegt drohend auf blindem Schicksal
Auf deinem zerbröckelnden Sein –
Eine gereifte Tränenähre.
Als Opfer dargebracht,
Geopfert werde heut abend in der Klage um alle
Die blaue Aorta des Mondes.
Aus dem Albanischen übersetzt von Hans-Joachim Lanksch
© Agron Tufa
© Übersetzung: Hans-Joachim Lanksch
Die dunkelblauen Flanken der Hügel leuchten
Im Licht elegischer Strahlen, gefiltert in Gold
Feuerreiter perlenbestückt entflechten
Mähnen, zerzausen grüne Pferdemähnen
In welche Schlacht werden stattlich sie sich stürzen
Welch Blutvergießen ist meinen Rittern hold?
Um sie vergieß ich rubinrote Tränen
Verlassne dunkelblaue Pferde scheuen
Elegie
Da kommt ein Mensch: traurige Gestalt, wo hast du
Den Trab der Träume und die Schwertscharten gelassen?
Da kommt ein Schatten, überschwemmt von der Bürde des Schicksals
Mit Dimensionen von Horizonten. Eins ums andere
Nahen benachbartes Bedauern mit Gerüchen von Regen
Und im Film verbranntem Licht.
Blutfleckige Blätter opfern sich auf Schultern
Wie bronzene Epauletten.
Du wie kaum jemand der Hoffnung Zugeneigter! Es verödet
Unser ehrwürdig alter Planet
Mit wuchtigen Wellen von Blut und Moral,
Und die gesprenkelte alte Schlange
Liegt drohend auf blindem Schicksal
Auf deinem zerbröckelnden Sein –
Eine gereifte Tränenähre.
Als Opfer dargebracht,
Geopfert werde heut abend in der Klage um alle
Die blaue Aorta des Mondes.
Aus dem Albanischen übersetzt von Hans-Joachim Lanksch
© Agron Tufa
© Übersetzung: Hans-Joachim Lanksch
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